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Der Clock Tower in Hongkong

Der Clock Tower – Relikt eines älteren Hongkong

Der Clock Tower in Hongkong ist seit über 100 Jahren ein Wahrzeichen der Stadt gewesen. Er steht auf der Halbinsel Kowloon, gegenüber von Hong Kong Island an der Landspitze Tsim Sha Tsui. Er war früher Bestandteil des Endbahnhofs der 1910 eröffneten Kowloon-Canton Railway und damit für alle Ankommenden die erste Landmarke von Hongkong, für alle Abreisenden das letzte vertraute Gebäude, bevor sie in den Zug nach China stiegen. 1978 wurde der Bahnhof verlegt, da Platz an der schmalen Landspitze knapp war. Das Bahnhofsgebäude wurde abgerissen, den Uhrenturm ließ man stehen, das er ein Wahrzeichen von Hongkong ist. Da er nahe am Pier der Star Ferry steht, werden ihn die meisten Touristen im Vorbeigehen zu Gesicht bekommen. Ob sie ihn wirklich zur Kenntnis nehmen ist fraglich – der Turm wird vom gewaltigen Hongkong Cultural Centre dominiert. Mit seinen 44 Metern Höhe – mit dem sieben Meter hohen Blitzableiter gar 51 Meter – ist der Clock Tower zwar nicht gerade klein, dennoch wirkt er etwas verloren zwischen den heutigen Gebäuden von Hongkong, wie ein vergessenes Spielzeug. Doch sollte man sich trotzdem die Zeit nehmen und ihm ein paar Blicke gönnen. Hier ist einer der wenigen Orte an denen man noch eine ganz schwache Vorstellung vom alten Hongkong bekommen kann. Fast alle anderen alten Gebäude mussten Hochhäusern und Shopping Malls weichen. Auch die immer neuen Landaufschüttungen der hypermodernen Metropole verändern Hongkong allmählich bis zur Unkenntlichkeit.

Der Clock Tower in Hongkong

Der Clock Tower in Hongkong ©iStockphoto/Wanderer888

Die Geschichte des Clock Tower

Die Errichtung des Bahnhofs in Kowloon (eine britische Verballhornung von 九龍, Kantonesisch gaolung, Mandarin jiulong) und damit auch des Clock Tower war ein direktes Resultat des Imperialismus. Die schwache Qing-Dynastie konnte das chinesische Kaiserreich nicht mehr wirksam zusammenhalten und schon gar nicht verteidigen. Die westlichen Kolonialmächte und der Neuankömmling im Club Japan teilten sich China in sogenannte Einflußsphären auf – zwar keine offiziellen Kolonien, aber doch zumindest Halbkolonien. Europäer und Japaner waren exterritorial, d.h., die chinesischen Magistrate hatten auf ihrem eigenen Territorium keine Hoheitsrechte über diese Besucher. Ausländer konnten somit in China unbehelligt von den lokalen Behörden missionieren und Handel treiben. Großbritannien sicherte sich weite Teile von Südchina als Einflußsphäre, dazu auch noch das strategisch wichtige Tibet. Um nun Südchina für den Handel zu erschließen, wurde der Bau einer Reihe von Eisenbahnen ins Landesinnere vorangetrieben. Eine dieser Eisenbahnen war die Cowloon-Canton Railway.

Die Planungen begannen bereits um die Jahrhundertwende. Im Jahr 1904 wurde der Endpunkt der Bahnlinie in Tsim Sha Tsui fertiggestellt. Den Zuschlag für den Entwurf bekam A.B. Hubback, der bereits Erfahrungen aus Britisch Malaya mitbrachte. Hier hatte er in verschiedenen Siedlungen an der Straße von Malakka Bahnhöfe entworfen. Die Bahnlinie Kowloon-Canton wurde offiziell am 1. Oktober 1910 eröffnet, doch der Bau des Bahnhofsgebäudes begann erst 1913. Nicht zuletzt wegen des heraufziehenden 1. Weltkriegs kam es zu weiteren Verzögerungen. So konnten etliche Materialien und auch die elektrische Uhr für den Turm nicht rechtzeitig aus dem britischen Mutterland verschifft werden. Der Bau musste zeitweilig unterbrochen werden. Der erste Teil des Bahnhofsgebäudes – inklusive Clock Tower – wurde 1915 vollendet, der komplette Bahnhof am 28. März 1916.

Im Uhrenturm wurde eine bereits gebrauchte Glocke eingesetzt. Sie stammte aus dem abgerissenen Pedder Street Clock Tower. Zunächst hatte als Sparmaßnahme nur eine Seite des Turms eine Uhr. Erst 1920 wurden an den verbliebenen drei Seiten ebenfalls Zifferblätter montiert. Am Nachmittag des 22. März 1921 wurden sie in Gang gesetzt. Seitdem war das Uhrwerk durchgehend in Betrieb, außer während der Zeit der japanischen Besetzung von Hongkong im 2. Weltkrieg.

Im Jahr 1975 wurde der Bahnhof Kowloon zum Bahnhof Hung Hom verlegt. Dieser war auf neu aufgeschüttetem Land in der Hung Hom Bucht erbaut worden und ist bis heute in Betrieb. Nach dem Auszug wurde 1977 das Bahnhofsgebäude abgerissen, trotz Protesten und Eingaben der Heritage Society, einer Organisation für das Erbe Hongkongs, die für mehr Denkmalschutz eintritt. Auch weitere Gruppen protestierten, aber ohne Erfolg. Ein Kompromiss wurde dann aber doch erreicht: Am Ende entschied man, den Uhrenturm als ein Wahrzeichen der Stadt stehen zu lassen und zu erhalten. Heute steht neben dem Clock Tower das gerade in diese Richtung vollkommen fensterlose und daher etwas abweisend wirkende Hongkong Cultural Centre. Es beherbergt das Weltraummuseum (Hongkong Space Museum), das Kunstmuseum (Hongkong Museum of Art) und das eigentliche Kulturzentrum mit einem großen und einem kleinen Theatersaal und einer Konzerthalle. Der im Jahr 1989 eröffnete Komplex wurde komplett auf dem ehemaligen Gelände des Bahnhofs Kowloon erbaut. Die Glocke des Uhrenturm ist derzeit in das Eisenbahndepot in Ho Tung Lau ausgelagert.

Die Architektur des Bahnhofs und des Clock Tower

Das gesamte Bahnhofsgebäude wurde wie auch der Uhrenturm aus Granitquadern und roten Ziegeln im klassizistischen Stil erbaut. Nicht nur britische Kolonialgebäude folgten in der Spätzeit des Imperialismus einem rein europäischen Stil. Der klassizistische Bezug auf die Werte des Alten Griechenlands und das bewusste Ignorieren lokaler Einflüsse sollten eine klare Botschaft aussenden: Die Europäer sahen sich als die Herren an und ihre Kultur musste den lokalen „Eingeborenenkulturen“ unbeschränkt überlegen sein. Ein Interesse an kulturellem Austausch bestand hier nicht. Briten sollten sich weit weg vom Mutterland möglichst genauso fühlen wie zuhause, also auch die gleiche Architektur sehen. Koloniale Untertanen sollten die Architektur der überlegenen Herrenkultur sehen und darob in Ehrfurcht erstarren. Wie es den vielen Millionen chinesischer Emigranten ging, die diesen Bahnhof auf dem Weg nach Hongkong selbst, aber auch in die USA oder nach Australien durchquerten, ist nicht bekannt.

Auf einer weniger ideologischen Ebene jedoch war das Bahnhofsgebäude ansprechend und zweckmäßig. Auf alten Fotos sieht man ein typisches Ensemble eines britischen Bahnhofs vor gut 100 Jahren: Das Bahnhofsgebäude, Dampfloks, alte Bahnsignale und Semaphore, Lattenzäune aus Holz sowie Gitter aus Schmiedeisen und hölzerne Bahnübergangstore. Genauso sah es an 100 anderen Orten aus, im Mutterland oder irgendwo im Empire. Das Gebäude des Bahnhofs mit dem imposanten Clock Tower prägte zusammen mit dem altehrwürdigen Peninsula Hotel viele Jahrzehnte lang das Stadtbild an der Südspitze der Landzunge Tsim Sha Tsui. Dass zumindest der Uhrenturm der Welt erhalten geblieben ist, ist ein Glücksfall für die Metropole Hongkong.

Anfahrt und Besichtigung

Sollten Sie in Hongkong sein, so werfen Sie auf jeden Fall einen Blick auf den Clock Tower. Sie können z.B. mit der U-Bahn (MTR Mass Transit Rail) hinfahren, Station MTR Tsim Sha Tsui Station, Ausgang E. Gehen Sie nach Verlassen der U-Bahn in Richtung Salisbury Road, biegen Sie dann rechts ab und nehmen Sie neben dem YMCA den sogenannten Subway, einen Fußgängertunnel, in Richtung Hongkong Cultural Centre. Biegen Sie dann wieder rechts ab und gehen Sie geradeaus auf das Meeresufer zu. Sie können den Clock Tower nicht verfehlen. Alternativ können Sie auch von Wan Chai oder Central aus die Star Ferry nach Kowloon nehmen und dann den Schildern folgen. Der Clock Tower ist neben dem Tsim Sha Tsui Pier der Star Ferry, vor dem Hongkong Cultural Centre. Zwar führt im Turm eine Holztreppe bis nach oben, allerdings ist der Clock Tower zumindest zur Zeit geschlossen. Es gibt keine Verlautbarungen über eine eventuelle Öffnung des Turms zu Besichtigungszwecken.

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